Die Lebensgeschichte von Iris Galey die mit 76 zum Happy-End führte.
Little Girl und Mr. Sky.
Ein Feuer prasselte im Kamin des düsteren viktorianischen Hauses: Cranbourne Road Nummer 8 in Bradford.
Die Mutter hatte es sich bereits in ihrem Lieblingsstuhl des Wohnzimmers bequem gemacht und zeichnete, während die Haushälterin die letzten Schüsseln und Teller abräumte. Little Girl saß am Tisch vor einem Schulheft. „Sieben mal acht“, schrie ihr Daddy sie an und gab der Neunjährigen im selben Augenblick eine schallende Ohrfeige. Die Mutter schenkte sich einen weiteren Whisky ein. „Was sieben mal acht ist, will ich wissen“, wiederholte Daddy noch lauter. Im Kopf des Kindes tanzten die Zahlen und Rechenzeichen wild durcheinander. Little Girl murmelte: „Fünf mal acht ist vierzig, plus acht sind achtundvierzig …“ Da gab es den nächsten Schlag. Blut floss dem Kind aus der Nase. „Wenn Daddy nur einmal abwarten würde … Warum sagt Mummy denn nichts? … Achtundvierzig sind sechs mal acht und zwei macht fünfzig, da bleiben noch sechs von der nächsten acht übrig“, dachte das Kind und rief erleichtert: „Sechsundfünfzig.“ Daddy entgegnete tonlos: „Na endlich, und nun gehen wir spazieren.“ Little Girl wurde leichenblass, weil sie wusste, dass es nun kein Entrinnen mehr gab.
Wie in Trance zog das Mädchen den Regenmantel an, streifte die Handschuhe über die offenen Frostbeulen und rief nach den beiden Hunden, die Daddy an die Leine nahm. Schweigend liefen beide mit den Hunden die steile Straße zu den Mooren hinauf. Daddy hinkte immer stark und Little Girl blickte in den Himmel und fragte sich, warum der liebe Gott, den sie Mr. Sky nannte, das was jetzt kommen würde, zuließ. Sie betete: „Bitte, bitte, Mr. Sky, lass durch ein Erdbeben die ganze Welt verschwinden.“
Daddy ließ die Hunde los, packte seine Tochter am Nacken und zwang sie hinter der Trockenmauer, deren mörtellose Struktur sie so liebte, in die Knie. Dann öffnete er seine Hose und tat mit ihrem kleinen Mund und ihrer Kehle das, was er immer tat. Little Girl schloss die Augen und fragte sich, warum sie keinen besseren Daddy verdient hatte, einen Daddy wie den von Rosemary, der ihr ein Pony kaufte. Sie würgte und dann war es vorbei für heute. Danach durfte sie schlafen. Danach kam er nicht in ihr Bett, aber die Pistole hatte er immer dabei …
Little Girl wurde älter.
Die Erstickungsangst, die Bilder und seine Stimme im Kopf ließen sie nicht los, und seit den Kinderheimen und Pflegeeltern in der Schweiz, vor sie mit Mama nach England zu Daddy gezogen war, konnte sie mit Fremden nicht essen, da ihr Magen und die Kehle sich verkrampften.
Mama nannte sie hysterisch und immerzu befürchtete Little Girl, in ein schwarzes Loch zu fallen. Daddy schimpfte meistens, besonders bei jedem Zeugnis. In der Schule war sie dumm, da sie flüchtig war und sich auf nichts so gut konzentrieren konnte, wie die anderen Kinder das schafften. Die schienen alles besser zu verstehen … Sie gehörte nirgends dazu … nicht im Schulbus, nicht in der Klasse, nicht auf dem Pausenhof … nirgends … und Freunde durfte sie keine haben … und nicht mit Kindern spielen.
Deshalb heiratete sie mit neunzehn, da sie sich, wieder zurück in der Schweiz, auch nirgends zugehörig fühlte und Mummy diese Heirat wollte.
In der Nacht vor dieser Hochzeit betete sie: „Lieber Mr. Sky, bitte, bitte lass durch ein Erdbeben die ganze Welt verschwinden, und wenn DU das dieses Mal nicht tust, sage ich für immer: Good-bye, Mr. Sky.“
Im Bett lag sie dann, wie bei Daddy, und lächelte, während tausend Killerbienen unentwegt an ihrem Magen fraßen … denn Daddy hatte gesagt: „Wenn eine Frau das nicht tut, wenn ein Mann das will, hat sie kein Recht zu leben … “
Auch als Little Girl am Anfang bei Daddy geschrien und Beulen auf der Stirn hatte, sagte Mummy nie etwas. Also musste Daddy recht haben …